Vergangene Woche hat THE HAPPY SPOT mit Petra Steiner bereits über Sex in Beziehungen, häufige Schwierigkeiten und die unterschiedliche Bedeutung für Männer und Frauen gesprochen. Im zweiten Teil des Interviews geht es nun um die besondere Bedeutung von Sex nach der Geburt eines Kindes sowie um verschiedene Lösungsansätze, um die Sexualität in Schwung zu halten.
Wie entwickelt sich die Sexualität, wenn ein Kind zur Welt kommt?
Ein Baby ist lebensverändernd! Für einen gewissen Zeitraum rückt unsere gesamte Aufmerksamkeit auf dieses kleine Wunder. Wir wachsen in eine neue Lebensrolle hinein. Haben eine unglaublich große Verantwortung dazu bekommen. Der weibliche Körper hat sich verändert. Vielleicht kämpfen wir mit traumatischen Geburtserlebnissen bis hin zu postnatalen Depressionen. Der gesamte Tagesrhythmus stellt sich um. Wir sind ganzheitlich gefordert, manchmal auch überfordert. Und wir können dabei sehr wenig selbst Beeinflussen, sondern müssen uns den Gegebenheiten anpassen, die uns unser Baby vorgibt – das kann mächtig stressen.
Es ist also eine ungemein fordernde Zeit! Und das gilt sowohl für Frau wie auch für Mann.
Dabei ist es absolut natürlich, dass die Sexualität für eine gewisse Zeit in den Hintergrund tritt.
Bei vielen Frauen können sich die Bedürfnisse ändern. Sie wollen Sex vielleicht nicht mehr so, wie sie ihn vorher hatten. Brauchen mehr Einfühlungsvermögen, um sich überhaupt hin geben zu können. Brauchen vielleicht ein längeres Vorspiel, weil sie nach der Geburt mit Scheidentrockenheit zu kämpfen haben. Brauchen andere Stellungen, weil die Brüste ansonsten schmerzen. Wollen vielleicht lieber Sex im Dunklen, weil sie sich noch nicht so gut in ihrem veränderten Körper eingefunden haben.
Und auch Männer haben durchaus neue Gedanken und Wünsche. Auch sie müssen vieles erst verarbeiten. Stellen die Wünsche der Partnerin in den Vordergrund. Nehmen Rücksicht, wollen auf keinen Fall überfordern.
Es hilft immens, wenn sich beide zugestehen, dass der Sex ab nun anders sein darf! Anders heißt nämlich in keinem Fall schlechter. Anders kann noch viel besser sein!
Nun gilt es „nur noch“, über den Schatten zu springen und darüber zu sprechen!
Was können Paare tun, um sich ihre Sexualität auch als Eltern zu bewahren?
Ich sehe bei frisch gebackenen Eltern ein unfassbares Potential! Denn wir entwickeln so viele neue Qualitäten: Fürsorglichkeit, Häuslichkeit, die Herz-Energie wächst, wir werden verbindender, verantwortungsvoller, ein Job und das regelmäßige Einkommen wird höher bewertet, die Ernsthaftigkeit steigt, auf einmal interessieren wir uns verstärkt für Bio Produkte, Umwelt- und Tierschutz. Der Wir-Gedanke wird größer. Wir reifen und sehen die Welt (oftmals) mit neuen Augen. Da steckt so unglaublich viel Potential und Größe drin! Denn hier steht eine Weiterentwicklung des schon geliebten Menschen. Und daraus kann immens viel gemeinsam geschöpft werden! Wäre es nicht unglaublich interessant, diesen gereiften Menschen und seine neuen Bedürfnisse näher kennenzulernen?
Daher mein Grund-Tipp für die gemeinsame Sexualität: Offen für Neues werden!
• Neue Praktiken: Wenn die Lust auf Geschlechtsverkehr nicht riesig ist oder die Zeit dafür nicht reicht, kann auf andere Praktiken ausgewichen werden. Zärtliches beisammen liegen, streicheln, massieren, Verwöhnen mit Händen und Zungen, einmal der eine, einmal die andere… kann ganz tolle Alternativen bieten, die sich in den Tagesrhythmus vielleicht (für eine Zeit lang) weit besser integrieren lassen.
• Neue Orte: Das Schlafzimmer ist durchs Baby belegt? Dann vielleicht doch ein gemeinsames Bad, den Schreibtisch umfunktionieren oder die Couch unsicher machen. Eine gemeinsame Nacht im Hotel, macht man vielleicht nicht jede Woche, kann aber die Sinne betören.
• Neue Zeiten: Fixe Zeiten einzuplanen hilft, um bei seiner Sexualität am Ball zu bleiben. Für Freischaffende lässt sich vielleicht ein Vormittag in der Woche reservieren. Oder während des Mittagsschlafs des Babys. Die Omi freut sich auch über einen nachmittags Besuch vom Enkel – und in der Zeit haben die Eltern absolut Wichtiges zu erledigen.
• Neue Achtsamkeit: Viel zu schnell verlieren wir aus den Augen, was wir zu Anfang der Beziehung ganz natürlich gemacht haben: sich liebkosen, necken, lachen, umwerben, sich gegenseitig kleine Aufmerksamkeiten schenken (wie z. B. Liebes-Briefchen), sich die Liebe kommunizieren. Sozusagen den Flirt Modus wieder aktivieren. Und damit weggehen von „nur Mama/nur Papa“ sein und bewusst darauf zugehen, sich gegenseitig wieder den Stellenwert von „FRAU“ und „MANN“ einzuräumen.
Was rätst du Paaren, die mit ihrer Sexualität unzufrieden sind und keine Lösung zu finden scheinen?
Ich rate den Menschen, sich neu kennenzulernen! „Durchs Reden kommen die Leute zusammen“. Räumt euch Zeit für euch ein. Sprecht eure Gedanken aus – in einer wertschätzenden, liebevollen Haltung. Aber ohne Schongang. Denn nur so, weiß die eine, was der andere sich wünscht, braucht und erträumt. Und umgekehrt.
Legt den Fokus weg von „was gefällt mir nicht/was will ich nicht“, hin zu „was wünsche ich mir“. Anschuldigungen treiben nur weiter in die Vermeidungshaltung. Die Kommunikation von Wünschen hingegen, eröffnet richtigen Handlungsspielraum!
Wartet nicht darauf, dass der andere beginnt, sondern ergreift von euch aus die Initiative!
Und wenn die Hürde einfach zu groß erscheint, dann holt euch professionelle Unterstützung! Das hat nichts mit Schwäche zu tun. Ganz im Gegenteil. Wer für sich, seine Partnerschaft und die Ziele in seinem Leben einsteht – und dazu gehört gelungene Sexualität – der ist ein Kämpfer für sein Glück. Was gibt es Bewundernswerteres!?!
Zum Abschluss: Deine drei Praxistipps, um “trotz” Elternschaft weiterhin guten Sex zu haben?
Reden, reden und nochmals reden
Sich zu kommunizieren, ist das A und O. Niemand von uns ist Gedankenleser. Wie auch immer es euch gerade geht. Was auch immer ihr euch erträumt. Was auch immer ihr braucht, um beflügelte Sexualität zu erleben. Ihr gebt dem anderen nur die Möglichkeit darauf einzugehen, wenn ihr euch kommuniziert – und haltet damit das Feuer am lodern!
Sich als Pärchen Quality-Time schaffen
Miteinander ausgehen, Dates verabreden, Tapetenwechsel leben. Ich weiß, das fällt (überhaupt zu Beginn) echt schwer, aber es ist ungemein wichtig! Sich freie Zeit gönnen, ist absolute Quality-Time und ermöglicht euch, euch weiterhin als Frau/als Mann wahrzunehmen. Und so ein Abend lässt Spielraum für prickelnde Gefühle und ein open end!
Sexualität Priorität geben
Sexualität planen hört sich nicht wahnsinnig romantisch an. Aber im Moment ist es ein wichtiger Faktor sich fixe Zeiträume einzuteilen, in denen man sich einander lustvoll widmen kann. Andere Aktivitäten, die einem wichtig sind (Yoga, Stammtisch, etc.) plant man auch fix im Kalender ein. Ein kleiner Gedankenimpuls (sollte sich bei dem Gedanken etwas in euch sperren): Manchmal hat man keinen Hunger, aber der Gusto kommt ganz plötzlich beim Essen. 🙂
Ich wünsche euch ein lustvolles Neu-Erleben eurer gemeinsamen Sexualität!
Liebe Petra, vielen lieben Dank für ein tolles Interview! Wer weiterlesen möchte, dem ist Petra Website herzlichst empfohlen. Ansonsten gibt es hier bei THE HAPPY SPOT Impulse zum Thema “Slow Sex als meditative Erfahrung” und “Mehr Sex für den Beziehungsfrieden“. Viel Spaß. 😉
Zur Expertin:
Petra Steiner ist Expertin für beflügelte Sexualität. Sie vermittelt in ihren Beratungen und Begleitungen den Zugang zu freier, lockerer und luftig gelebter Sexualität. In der von ihr entwickelten Methode: 6+1 „In 7 Schritten zu beflügelter, geglückter, verschwitzter Sexualität“, zeigt sie Frauen und Paaren den Weg in ein erfülltes, glückliches Sexualleben. Mehr zu ihr auf www.petrasteiner.atCelsy
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