Unsere Stillbeziehung endete am 01. April 2017, nachdem ich am Abend zuvor mit meinen Mädels einen drauf gemacht hatte. Die zu dem Zeitpunkt letzte, übriggebliebene Stillmahlzeit morgens um 6 sollte an dem Morgen durch meinen Mann und Pre-Nahrung ersetzt werden, weil ich mir den Luxus gegönnt hatte, am Abend vorher zwei, drei (soll heißen: fünf, sechs) Weißweinschorlen zu trinken. Ich wusste nicht, dass dies dazu führen würde, dass mein Sohnemann ab dem 02. April diese letzte Mahlzeit einfach verschlafen und zukünftig erst passend zum Morgenbrei aufstehen würde. Insgesamt hatten wir also nur 6,5 Monate gestillt, bis er ganz allein entschieden hatte, dies zukünftig nicht mehr zu brauchen.
Großes Baby, großer Hunger
Unser Sonnenschein kam mit 56cm bzw. 4420g zur Welt und entsprechend seiner Körpergröße hatte er auch Hunger. Was habe ich meine Zeit zu Anfang mit stillen verbracht! Dabei fiel es uns von Beginn an leicht. Bereits im Kreißsaal hat der Große, trotz Kaiserschnitt, getrunken wie ein Weltmeister. Wir beide wussten sofort, wie es geht. Trotzdem habe ich es zwischendurch als Belastung empfunden. So einfach es tagsüber war, so anstrengend war das Clustern am Abend. Ab 18 Uhr konnte ich das Sofa kaum verlassen, weil der junge Mann seinen unersättlichen Hunger stillen wollte. Dabei hatte ich immer eher zu viel als zu wenig Milch. Vermutlich hätte ich die Zwillbos meiner besten Freundin auch noch satt bekommen und wäre trotzdem ständig ausgelaufen.
Das “Zu viel” an Milch wurde auch fix nach wenigen Wochen zum Problem. Häufig war der Kleine gegen 22 oder 23 Uhr nämlich schlicht zu müde, um mit dem Übermaß an bereitstehender Nahrung zurecht zu kommen. Schreiattacken statt Stillen war das Ergebnis. Damit wir, also mein Sohn und ich, nicht vollends den Verstand verloren, entschieden mein Mann und ich, diese Mahlzeit mit abgepumpter Milch bzw. Pre-Nahrung zu ersetzen. Eine Saugverwirrung oder ähnliches scheute ich dabei nicht. Im Gegenteil: Ich war froh um die Freiheit, die ich gewann. Mein Mann hingegen gewann ein festes, liebgewonnenes Zu-Bett-geh-Ritual mit dem Kleinen, das auch ein Jahr später immer noch existiert.
Große Augen, großer Mund – B(r)eikost mit dreieinhalb Monaten
Weihnachten, der Kleine war 3,5 Monate, kam dann die Überraschung: Während wir gemeinschaftlich und gemütlich unseren Nachtisch schlabberten, fing der Wutzwerg an, Theater zu machen. Nachdem alles Offensichtliche ausgeschlossen war, wurde klar: Die Verweigerung von Papas Nachtisch sorgte für größten Unmut! Trotz seines noch jungen Alters hatte der Zwerg tatsächlich Interesse an unserem Essen. Ich war zunächst höchst verunsichert, doch nach gutem Zureden meiner Besten, der ich noch heute nicht dankbarer dafür sein könnte, entschieden wir uns, probeweise ein Gläschen Möhrenbrei zu holen. Wir wollten einfach nur testen, ob der junge Mann tatsächlich Interesse an dem Essen hatte.
Tja, was soll ich sagen? Aus den geplanten drei bis vier Löffelchen wurde direkt bei der ersten Mahlzeit ein Viertel des Glases. Anschließend stillte er so entspannt wie lange nicht mehr. Für uns stand fest – ok, das ist der Beginn der Beikosteinführung.
Der Widerstreit – das Lehrbuch gegen mein eigenes Baby
Uns war klar, dass er aufgrund seines Alters noch gar nicht alle Beikostreifezeichen vollends erfüllen konnte. Zugegeben: Ich hatte furchtbare Angst, etwas falsch zu machen. Tagelang beratschlagte ich mich mit meiner besten Freundin, googelte, grübelte, machte mir Sorgen. Er war doch noch viel zu jung für Beikost, das sagte jeder Ratgeber, jede Internetseite. Wir machten uns diese Entscheidung nicht leicht. Mein Mann und ich waren furchtbar unsicher, entschieden uns dann aber, auf unser Bauchgefühl zu hören. Das, was wir sahen, reichte uns. Es gab kein Herausschieben mit der Zunge, es gab keine Bauchschmerzen, keine Verdauungsprobleme, mit Unterstützung saß er sicher und gern. Außerdem machte er einen ausgeglichenen, entspannten Eindruck. Das reichte uns mehr als alle Checkspoints, die wir an vermeintliche Listen hätten setzen können. Der Zuspruch meiner besten Freundin, die uns dazu ermutigte, unseren eigenen Weg zu gehen, half uns, an unserer Linie festzuhalten, wenn andere Eltern oder selbsternannte Spezialisten uns verunsichern wollten.
Selbstgekocht und heiß geliebt
Für mich war von Beginn an klar gewesen, dass ich, sollte es auf Brei hinauslaufen, selbst kochen würde. Das tat ich schließlich auch. Wir probierten uns quer durch die Gemüsetheke, gaben nach wenigen Wochen Nudeln, Kartoffeln und Reis hinzu und kamen schließlich auch bei Fleisch an. Dabei galt immer: Nur eine neue Zutat pro Woche. Etwa vier Wochen nach dem ersten Möhrengläschen gab es den Abendbrei und wieder vier Wochen später kamen wir schließlich beim Frühstücksbrei an. Gerade bei den größeren Veränderungen wie Abend- und Morgenbrei versicherte ich mich immer bei meiner besten Freundin, ob ich es nicht zu schnell anginge. Was nach außen hin so einfach aussah – Beikost her, Brust davon – war für mich ein langer Weg mit vielen Zweifeln und Fragen. Immerhin wollte ich mein Kind nicht überfordern oder ihm gar schaden. Aber er machte mir immer auf’s Neue deutlich, dass er tatsächlich soweit war. So führte er auch selbst das feste Essen ein – indem er meinem Mann die Nudeln vom Teller klaute und seiner pürierten Mahlzeit deutlich vorzog. Kurze Zeit später kam der erste Zahn.
Heimlich stillte er ab – und wurde mobil
Zunächst stillte ich nach jeder Mahlzeit noch, doch recht schnell machte der Große deutlich, dass er lieber aß als trank. So aß er den Brei mit immer größerer Begeisterung und verschmähte die Brust. Selbst die kleinen, kuscheligen Snacks zwischendurch wurden rapide weniger. Gleichzeitig geschah etwas völlig anderes: Mein bisher sehr bequemes, großes, schweres Baby wurde aktiv, agil und beweglich! Es war, als ob die Breimahlzeiten ihm genau die Energie lieferten, die ihm bislang fehlte. In Windeseile lernte er sich zu drehen, zu robben, zu krabbeln und sich hinzusetzen. Er mauserte sich von dem schweren Baby, das dem Kinderarzt wegen fehlendem Muskeltonus Sorgen bereitete, zu einem aufgeweckten, kleinen Kerl, der ruckzuck vielen seiner Altersgenossen motorisch weit voraus war. Spätestens jetzt war uns klar – wir machten alles richtig, so ungewöhnlich unser Weg auch war. Warum auch immer: Bloß Milch reichte ihm nicht.
Ganz zum Schluss unserer Stillbeziehung waren noch genau zwei Stillmahlzeiten übrig: Ein bisschen nuckeln zum Einschlafen mittags sowie die Mahlzeit morgens um 6, nach der wir immer noch einmal 1,5 Stunden weiterschliefen. Dazu kam die Flasche zum Nachtschlaf – die gibt es noch heute. Nachts schlief der Kleine sehr bald durch und verlangte ab seinem 4. Lebensmonat nur in sehr, sehr seltenen Fällen nachts noch nach Milch. Das Einschlafstillen mittags schaffte er ab, sobald er anfing, sich zu drehen und zu robben.
Ein stilles Ende – aber ein gutes
Der Große war also in etwa 6,5 Monate, als unsere Stillbeziehung endete. Hätte ich am 31.03.17 gewusst, dass ich das allerletzte Mal stillen würde – vermutlich wäre mir der Abschied schwerer gefallen. Noch heute bin ich ein bisschen wehmütig, dass wir diesen Luxus nicht länger genießen konnten. Aber nicht traurig. Ich bin dankbar für das, was wir hatten, weil ich weiß, dass es nicht selbstverständlich ist. So unkompliziert und problemlos mit dem Stillen zu starten ist ein Geschenk, das ich in Ehren halte. Ich hatte keinen Milchstau, keine Entzündungen, noch nicht einmal kaputte Brustwarzen. Bei uns war stillen von Beginn an einfach und das erfüllt mich bis heute mit Ehrfurcht. Es macht mich demütig. Gleichzeitig freue ich mich umso mehr auf unser zweites Kind, das im März 2018 zur Welt kommt. Denn unser Großer hat seiner Schwester und mir das größte Geschenk gemacht, das wir uns vorstellen könnten – ich will auf jeden Fall und unbedingt wieder stillen.
Mit diesem Artikel nehme ich an der Blogparade (Ab-)gestillt teil. Wenn ihr mehr tolle Erfahrungsberichte zu diesem Thema lesen wollt, dann schaut doch einfach mal auf doppelkinder und/oder LÄCHELN UND WINKEN vorbei.
Celsy
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