„Was? Bist du schwanger?“ Keinen Satz habe ich in den letzten sechs Wochen so häufig gehört wie diesen. Nicht weil ich plötzlich zugenommen oder krasse Stimmungsschwankungen an den Tag gelegt hätte, sondern weil ich keinen Alkohol getrunken habe. Scheinbar gab es in meinem Umfeld nur eine logische Erklärung dafür: Ich erwarte Nachwuchs.
Gleich vorweg: Nein, ich bin nicht schwanger, ich habe gefastet. Nicht aus religiösen oder spirituellen Gründen, sondern weil ich auf der Suche nach einer Herausforderung war. Ich wollte wissen, ob ich es durchhalte, einen gewissen Zeitraum auf gewisse Dinge zu verzichten. Neben dem Alkohol war auch Schokolade in den vergangenen 45 Tagen Tabu für mich. Wenn schon, denn schon!
Meine halbherzige Beziehung zu Fasten
Ich gebe zu, dass dieser Anlauf nicht mein erster war. Ich erinnere mich an mehrere halbgare Versuche, die – vielleicht ahnst du es schon – jedes Mal nach wenigen Tagen (manchmal auch Stunden) gescheitert sind. Doch anstatt mich davon entmutigen zu lassen, hat es mich jedes Mal aufs Neue noch mehr angespornt. Es muss doch möglich sein! Ich muss doch in der Lage sein, meinen Konsum gezielt einzuschränken!
Die Hartnäckigkeit hat sich ausgezahlt. In diesem Jahr hat es endlich (!) funktioniert und ich konnte meine Mission von Anfang bis Ende durchziehen. Wie es mir dabei ergangen ist, will ich dir gern in diesem Beitrag erzählen.
Fasten oder verzichten?
Ich tue mich irgendwie schwer mit dem Begriff „fasten“. Ich habe mich bisher nie detailliert damit befasst, weiß aber, dass 45 Tage lang keine Schoki essen und keinen Alkohol trinken nicht automatisch bedeutet, dass ich faste oder gar eine Fastenkur mache. Daher möchte ich lieber von „verzichten“ sprechen, denn das trifft es meiner Meinung nach viel eher. Es ging mir auch nie um irgendeine spirituelle Reinigung oder sonst etwas, sondern vielmehr um die persönliche Challenge. Dafür die traditionelle Fastenzeit zwischen Aschermittwoch und Ostersonntag zu nutzen, war in erster Linie eine zusätzliche Motivation (und vielleicht auch der Versuch, mehr Akzeptanz in meinem Umfeld zu erfahren) und kein Ausdruck meiner Religiosität.
Die erste Tage…
…waren zwar nicht die Hölle, aber ziemlich ungewohnt. Von jetzt auf gleich auf etwas zu verzichten, was zu meinem Leben gehört, stellte mich vor ungeahnte Herausforderung. Plötzlich war der heißgeliebte Stracciatella-Joghurt (der mit den kleinen Schokostücken) „verboten“, genauso wie der Kakao und die mit Schoki überzogenen Kekse.
1. Erkenntnis: Schokolade ist echt überall! Wenn man einmal anfängt, darauf zu achten, begegnet sie einem plötzlich in allen möglichen Lebensmitteln.
Ähnlich merkwürdig verhielt es sich mit dem Alkohol. Ich trinke nun schon seit einer Weile nur noch sehr wenig Alkohol – und wenn, dann meist am Wochenende. So wie mir gewisse Getränke nicht mehr gestattet waren, stieg mein Verlangen danach schlagartig an. Irgendwie verrückt! Es muss schon ein echt beschissener Tag sein, damit ich diesen in einem Glas Rotwein ertränken will. Während meiner Fastenzeit hatte ich plötzlich ständig das Bedürfnis, es zu tun.
2. Erkenntnis: Wir sind alle Kinder! Wenn wir etwas nicht haben dürfen, wollen wir es erst recht.
Der Übergang zum Normalen
Nach der ersten Eingewöhnungsphase fiel mir das Fasten – ähm, ich meine, das Verzichten! – schlagartig leichter. Es wurde normal für mich, gewisse Getränke und Süßigkeiten zu meiden. Ich hatte nicht mehr das Gefühl, meinen Konsum zu zensieren und mir selbst etwas zu verbieten. Stattdessen trat ein neues Bewusstsein auf: Ich tue meinen Körper gerade einen großen Gefallen! Das spornte mich an. Ich reaktivierte meine Yoga-Skills und fuhr Fahrrad, aß mittags Knäckebrot und Quark und fing an, bewusst mehr Wasser zu trinken.
3. Erkenntnis:Irgendwann macht es Klick und der Verzicht wird zur Wohltat.
Ich will mich nun keinesfalls als Gesundheits-Guru oder Fitness-Freak bezeichnen. Die Wahrheit ist: Der Caipirinha am Ostersonntag hat himmlisch geschmeckt und auch der Schokoladenhase hatte keine Gelegenheit, sich zu wehren. Ob ich das als Rückfall betrachte? Vielleicht ein bisschen, denn wenn ich ehrlich bin, brauche ich weder das eine noch das andere, um glücklich zu sein.
4. Erkenntnis: Gewisse Dinge kann man haben, muss man aber nicht.
Die nächste Challenge ist in Planung
Die letzten 45 Tage haben mich einiges gelehrt – am meisten über mich selbst. Ich bin – in manchen Dingen – ein echtes Gewohnheitstier. Ich will Dinge erst recht haben, wenn ich sie nicht haben kann. Aber ich kann auch ganz anders, wenn ich wirklich will.
5. Erkenntnis: Verzicht befeuert Ehrgeiz.
Und weil dieses Learning das allerwichtigste ist und mich wirklich motiviert, ist die nächste „Verzicht-Challenge“ schon in Planung. Ob ich damit bis zur Fastenzeit 2018 warte, weiß ich noch nicht. Ich glaube beinahe, dass es mich schon eher packen wird.
Hast du dieses Jahr gefastet? Wie ging es dir dabei? Zu welchen Erkenntnissen bist du gekommen? Oder war Fasten für dich bisher kein Thema? Ich freue mich auf deinen Kommentar!
Jessika Fichtel
Jessika online: http://feels-like-erfurt.de; http://jf-texte.de
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